Schubladenbox

Foto @ Andrea Frank

Beitrag von Andrea Frank: Wenn Sie sich selbst fragen: was denken Sie so wirklich über den Kollegen, der alles anders macht als Sie? Was denken Sie über den Chef, der so gut wie nie Zeit für Sie hat? Und was denken Sie über sich selbst? Können Sie sich vorstellen, dass diese tief sitzenden Meinungen, gefüttert mit vielen Erfahrungen, Einfluss auf Ihre Ergebnisse hat?

Aus folgendem Coaching-Beispiel aus der Praxis können Sie sehen, wie man aus hinderlichen Überzeugungen nachhaltig aussteigt:

Vor kurzem wurde ich von einem Abteilungsleiter beauftragt, weil es immer wieder zu Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit seinem Team kam. Vor dem  Teamcoaching wollte er mit einem Einzelcoaching für einen Mitarbeiter beginnen, mit dem es besonders viele Reibereien gab. Alle Gespräche mit ihm hatten bisher zu keiner positiven Veränderung geführt, nur zu vielen Begründungen und Erklärungen von Umständen und Schuldzuweisungen. Ich empfahl ihm eine andere Vorgehensweise, nämlich den Weg in die Eigenverantwortung. Denn man kann nur sich selbst und sein eigenes Verhalten verändern – nicht den Anderen, schon gar nicht gegen seinen Willen.

Wir haben zuerst bei ihm selbst als Abteilungsleiter geschaut, welche innere Einstellung er zu diesem Mitarbeiter hat und damit unbewusst immer wieder seine Denk-Schublade füllt. Er war überzeugt, dass sein Mitarbeiter ein „egoistischer Spießer“ ist und nannte mir dafür als Beweis viele Situationen, in dem sein Verstand wieder sagen konnte: „Siehste, hab ich´s doch gewusst!“ Nur diese „Rechthaberei“ half ihm nicht weiter. Was nun?

Wir sind noch tiefer „unter die Wasseroberfläche“ gegangen um herauszufinden, in welche unbewusste Schublade er sich denn selbst gepackt hat, dass diese unerwünschten Ergebnisse in sein System passen. Den Preis kannte er schon: die Zusammenarbeit war anstrengend, kostete ihm zusätzlich viel Zeit und Nerven, er musste die „umständliche Arbeitsweise“ auch seiner anderen Mitarbeiter ausgleichen, und die Zahlen sahen auch nicht gut aus. Die Kernfrage war aber: Was ist der Gewinn? Welchen Nutzen hat er daraus? Denn nur wenn man das weiß, kann man bewusst aus dem alten System aussteigen. Das war in Kurzform der einstündige Dialog:

AL: Abteilungsleiter,  C: Coach Andrea Frank

C: Kennen Sie das, dass Sie glauben für andere etwas ausgleichen zu müssen?
AL: Ja, das war auch schon früher so, auch als ich noch nicht Abteilungsleiter war.
C: Was befürchten Sie, wenn Sie das nicht ausgleichen würden? Was würde dann passieren?
AL: Das geht nicht! Dann würden die Zahlen ja noch schlechter aussehen und der Druck von oben wird noch heftiger! Und dann verliere ich meinen Job und meine Mitarbeiter womöglich auch.
C: Dann machen Sie sich lieber selber Druck?
AL: Ja. Ich krieg das schon irgendwie hin. Dann mache ich lieber Überstunden.
C: Und gelingt es Ihnen damit, die Arbeit der anderen auszugleichen?
AL: Ja, irgendwie schon.
C: Wie fühlt sich das dann für Sie an, wenn Sie das geschafft haben?
AL: Dann hat sich das gelohnt und ich habe uns wieder gerettet.
C: Was haben diese Rettungsaktionen Ihnen ermöglicht? Zu was hat das geführt?
AL: In meiner Karriere bin ich damit immer weiter nach oben gekommen. Immerhin bin ich jetzt für 120 Mitarbeiter verantwortlich.
C: Das heißt, Rettungsaktionen haben Ihnen Anerkennung, Status und Geld eingebracht. Sie haben sich also unbewusst ein System erschaffen, in dem viel Not vorhanden sein muss, damit Sie dann retten können, um damit weiterhin beruflichen Erfolg sicherstellen zu können. Der Gewinn ist also richtig groß.
AL: So habe ich das noch nie gesehen! Aber der Preis mit Druck und Anstrengung ist wahnsinnig hoch…
C: Ja, mittlerweile kippt das System, da der Preis jetzt höher ist als der Gewinn. Und die Not- und damit auch die Rettungs-Situationen müssen immer heftiger werden, damit Sie von dem bestehenden Team wieder neue Anerkennung bekommen! Die Frage ist nun: wollen Sie aus diesem selbsterschaffenen Hamsterrad „als Retter bekomme ich Anerkennung“, wo Sie wahrscheinlich schon sehr früh unbewusst eingestiegen sind, jetzt aussteigen?
AL: Ja! Aber wie?
C: Für was können Sie sich selber anerkennen? Was haben Sie gut gemacht? Worüber sind Sie selbst stolz?
AL: Ähm, Eigenlob stinkt doch… das sollen doch lieber andere sagen.
C: Damit hängen Sie aber „am Tropf“ von der Beurteilung anderer und müssen dann wieder viel retten, um dafür Anerkennung zu bekommen. Denn diese Hoffnung hat Ihr Hamsterrad in Gang gehalten. Um Ihr Denken umzuprogrammieren empfehle ich Ihnen, sich jeden Tag 3 Dinge aufzuschreiben, wofür Sie sich selbst anerkennen.
AL: Ok. Und was mache ich mit meinem Team?
C: Können Sie Ihr Team jetzt gedanklich aus der unbewussten Aufgabe entlassen, dass die Ihnen die Anerkennung geben müssen?
AL: Ja! Und wer macht dann die Arbeit?
C: Alle, aber mit anderen Qualitäten, Werten und Aufgaben. Ich gebe Ihnen ein anderes Bild Ihrer Führungsaufgabe: Stellen Sie sich vor, Sie sind der Steuermann Ihres Abteilungsbootes, haben alles im Blick und geben durch Ihre Vision, Absichten und Ziele die Richtung vor. Ihre Mannschaft ist inspiriert von der Vision und will sie engagiert mit Ihnen verwirklichen. Die Basis ist Vertrauen. Der Kompass sind die Ergebnisse und das Steuerungsinstrument ist effektive und klare Kommunikation.
AL: Das hört sich gut an. Dazu bekomme ich dann von Ihnen im Teamcoaching sicherlich noch mehr Hinweise.
C: Ja, und wir finden heraus, was das Team von Ihnen als Abteilungsleiter braucht, um Ihrer Steuerung zu vertrauen, damit sie zuverlässig die gewünschten Ergebnisse erreichen.

Diese Erkenntnisse aus dem Dialog ermöglichten ihm dann auch eine andere Sichtweise auf seinen Mitarbeiter. Ihm wurde deutlich, dass er klar die Ziele kommunizieren muss und vor allem das klare Commitment seines Teams braucht. Wie und mit welcher Arbeitsweise der Mitarbeiter das erreicht, ist die Eigenverantwortung des Mitarbeiters selbst. Später erkannte er, wie wichtig dieser mit seiner Art für sein Team ist und damit eine gute Ergänzung zu den bestehenden Kompetenzen darstellte – also ein „bereichernder Teamplayer“.

Es ist Ihre Wahl, in welche Schublade Sie sich selbst oder den Anderen packen. Auf jeden Fall hat es andere Konsequenzen, insbesondere hat es großen Einfluss auf Ihre Kommunikation sowie auf Ihr Denken, Fühlen und Handeln. Seien Sie wach darüber und treffen Sie die Wahl bewusst!

 

Portrait Andrea FrankAndrea Frank ist Business-Coach und damit Expertin für das Auflösen von Hindernissen in Führung, Kommunikation und Vertrieb. Mit ihren ungewöhnlichen Fragestellungen geht sie an die Ursache von unerwünschten Ergebnissen: den inneren Einstellungen und Überzeugungen. Diese zu erkennen, aufzulösen und nachhaltig zu wandeln ist wie ein Schlüssel zu mehr Erfolg, Wachstum und Begeisterung. Weitere Hinweise und die Möglichkeit für einen Coaching-Dialog gibt sie in Ihrem Live-Coaching am 2. Kongresstag Freitag, 26.02.2016 von 11.00 – 12.15 Uhr.

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