Ein Gastbeitrag von Sebastian Baade:

„Coaching heute: Zwischen Königsweg und Irrweg“ – die Wahl dieses Titels für den Erdinger Coaching-Kongress zeigt, dass es im Coaching seit Jahren und auch bis heute noch beide Seiten gibt. Den Königsweg, womit vor allem eine hohe Qualität im Coaching gemeint ist und den Irrweg, bei dem diese Qualität fehlt oder nicht ausreichend ist.

Positive Psychologie im Coaching

Ein neues Forschungsfeld, das sehr geeignet sein könnte, um die wissenschaftliche Basis von Coaching zu erhöhen und interessanten Input zu liefern ist die Positive Psychologie. Positive Psychologie ist mit Biswas-Dieners Worten (2007, S. 5) „a body of theory, research, and practical tools that can be added to any coaching practice”. Martin Seligman (2007, S. 266) beschreibt den Nutzen der Integration der Positiven Psychologie in Coaching folgendermaßen: “Positive psychology can provide coaching with a delimited scope of practice, with interventions and measurements that work, and with a view of adequate qualifications to be a coach”.

Tipps: PP ins Coaching integrieren

Wie kann die Integration der Positiven Psychologie in Coaching konkret aussehen? Hierfür bieten sich nach Margarita Tarragona (vgl. 2015, S. 257-261) vier Möglichkeiten an:

  1. Die Positive Psychologie als Perspektive oder generelle Orientierung

    Der Coach kann sich mit der Positiven Psychologie identifizieren. Er orientiert sich an dem Positiven und den Stärken des Klienten. Er bringt Themen der Positiven Psychologie wie Flow, Optimismus, Charakterstärken oder Resilienz ein. Wissenschaftliche Grundlagen werden für das Coaching genutzt, eingebracht und mit dem Klienten diskutiert. Positive Interventionen werden regelmäßig genutzt. Wichtig ist, dass das Negative nicht ausgeblendet wird, sondern Teil des Coachings ist und ebenfalls angesprochen wird.

  2. Die Positive Psychologie als Informationsgrundlage

    Der Coach sieht einige Studien, Forschungsergebnisse, Fragebögen, Bücher oder Videos als geeignet an, um sinnvolle Informationen in das Coaching aufzunehmen. Diese können bewusst an spezifischen Stellen eingebracht werden. So kann dem Klienten das Lesen eines wissenschaftlichen Artikels zwischen zwei Coaching-Sitzungen als Hausaufgabe gegeben werden, um diesen dann in der nächsten Coaching-Sitzung bezogen auf die Situation des Klienten zu diskutieren.

  3. Die Positive Psychologie als positive Interventionen oder positive Aktivitäten

    Die Positive Psychologie hat zahlreiche, empirisch belegte Interventionen hervorgebracht. Dadurch kann eine Zielvariable wie das Wohlbefinden gesteigert werden. Wichtig sind die ernsthafte und regelmäßige Ausübung der Intervention, die richtige Häufigkeit und eine Passung zwischen der Intervention und dem Klienten (vgl. Lyubomirsky, Sheldon & Schkade 2005, S. 122). Bekannte, wirksame Interventionen sind beispielsweise die Interventionen „Three good things in life“ (Seligman et al. 2005, S. 416), der Dankbarkeitsbesuch (Seligman et al. 2005, S. 416), das „expressive Schreiben“ (Pennebaker & Chung 2007, S. 265) oder die „random acts of kindness“ (vgl. Lyubomirsky, Sheldon & Schkade 2005, S. 122-125).

  4. Die Positive Psychologie als begleitete Selbsthilfe

    Forschern der Positiven Psychologie ist es wichtig, sich über die Erkenntnisse der Positiven Psychologie nicht nur mit Kollegen aus dem Fach auszutauschen, sondern diese verständlich darzustellen und der allgemeinen Bevölkerung zur Verfügung zu stellen. Daher wurden zahlreiche Bücher veröffentlicht, die Ergebnisse aus der Forschung einfach formuliert darstellen. Websites wie https://www.authentichappiness.sas.upenn.edu/ oder http://charakterstaerken.org/ stellen kostenlos zahlreiche Fragebögen bereit, um spezifische Eigenschaften/Stärken zu messen. Gleichzeitig bieten diese Websites auch eine kostenlose Auswertung der Fragebögen an. Auch Apps oder Podcasts sind mittlerweile verfügbar. Coachs können diese Quellen nutzen, um dem Klienten eine intensive Beschäftigung zwischen den Coaching-Sitzungen ermöglichen und die Ergebnisse in den Coaching-Sitzungen zu nutzen.

Zusammengefasst konnte gezeigt werden, dass eine Integration der Positiven Psychologie in Coaching sehr sinnvoll ist. Es gibt zahlreiche Berührungspunkte, ein ähnliches Ziel und insbesondere die solide, wissenschaftliche Basis der Positiven Psychologie kommt dem Coaching zu Gute. In welchem Ausmaß die Positive Psychologie in Coaching integriert werden kann, sollte jeder Coach selbst entscheiden und dabei miteinbeziehen, wie hoch seine Identifikation mit der Positiven Psychologie ist.

 

Portrait Sebastian Baade

Sebastian Baade studierte bis Juli 2016 Wirtschaftspsychologie an der Hochschule für angewandtes Management. Seine Masterthesis befasste sich mit der Integration der Positiven Psychologie in Coaching. Am Thema Coaching interessiert ihn, dass dadurch schwierige Phasen überwunden werden und Stärken gefördert und vermehrt genutzt werden können. Sein besonderen Interessen liegen in der Psychologie und deren Einsatzmöglichkeiten in Unternehmen – speziell im Personalbereich.

Terminhinweis: 1. Kongress des DACH-PP

Der Deutschsprachige Dachverband für Positive Psychologie e.V. hat das Ziel, die Anwendung Positiver Psychologie im deutschsprachigen Raum zu fördern.  Am 17.-18. September lädt der Verband, der  Partner des Erdinger Coaching-Kongresses ist, zum seinem 1. Kongress „Positive Psychologie im deutschsprachigen Raum“. AnwenderInnen und ForscherInnen stellen an zwei Tagen vor, wie lebendig Positive Psychologie hierzulande bereits ist.

Was bringt Ihnen der Kongress?

  • praktische Anwendungen der Positiven Psychologie in verschiedenen Feldern vorstellen: in Coaching & Psychotherapie, Gesundheit, Schule & Erziehung, Business & Führung
  • den aktuellen Forschungsstand der Positiven Psychologie zeigen und diskutieren, speziell für den deutschsprachigen Raum
  • den Austausch und Vernetzung von Anwendern und Forschern fördern
  • Studierende an die Positive Psychologie heranführen und für dieses Fachgebiet interessieren

 

Wann & wo:

17.-18.9.2016, Berlin. Infos und Anmeldung unter: www.dach-pp.eu/kongress2016

 

Quellen zum Beitrag von Sebastian Baade:
Biswas-Diener, R. & Dean, B. (2007). Positive Psychology Coaching. Putting the Science of Happiness to Work for Your Clients. New Jersey. John Wiley & Sons, Inc.
Lyubomirsky, S., Sheldon, K. M. & Schkade, D. (2005). Pursuing Happiness: The Architecture of Sustainable Change. Review of General Psychology. 9(2). S. 111-131.
Pennebaker, J. W. & Chung, C. K. (2007). Expressive Writing, Emotional Upheavals, and Health. In: Friedman, H. S. & Silver, R. C. (Hrsg.). Foundations of Health Psychology. New York. Oxford University Press, Inc. S. 263-284.
Seligman, M. E. P. (2007). Coaching and positive psychology. In: Australian Psychologist. Dezember 2007. 42(4). S. 266-267.
Seligman, M. E. P., Steen, T. A., Park, N. & Peterson, C. (2005): Positive Psychology Progress: Empirical Validation of Interventions. American Psychologist, 60(5), S. 410-421.
Tarragona, M. (2015). Positive Psychology and Life Coaching. In: Joseph, S. Positive Psychology in Practice. Promoting Human Flourishing in Work, Health, Education, and Everyday Life. New Jersey. John Wiley & Sons, Inc. S. 249-266.